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Hoffentlich reicht mein Treibstoff…

Foto: FamVeld via shutterstock

Angetrieben von der Sehnsucht nach einer großen Familie und dem Wunsch, auf dem Sterbebett eine Hand zu haben, die meine hält, bin ich Ehefrau und Mutter geworden. Meine Kinder sind das größte Geschenk, das mir das Leben gemacht hat – nach meiner Krebserkrankung und elf Fehlgeburten ist jedes der vier für mich ein Wunder. 

Doch auch Wunder machen Arbeit. 

Das lernten wir Eltern von dem Moment an, als wir erfuhren, dass sie unterwegs waren. Elternschaft kostet Kraft. Wie viel, das spüre vor allem ich, die Mutter. Denn ich schultere wie viele andere Frauen um mich herum den Großteil der familiären Fürsorgearbeit. 

An einem Dienstag zum Beispiel tue ich meinen Teil des Elterndienstes als Wecker, Caterer, Kammerzofe, Bring- und Abholdienst zu Schule und Sport, Putzfrau, Haushälterin, Wäscherin, Hausaufgabenbetreuerin, Krankenschwester und -pflegerin, Streitschlichterin, Köchin, Ernährungsberaterin, Entertainerin und Einschlafbegleitung der Kinder. Doch Mutter ist nicht mein einziger Lebensinhalt. Ich bin auch Partnerin meines Mannes. Tochter meiner Mutter. Freundin. Nachbarin. Hamburgerin. Wählerin.

Und ich bin ich. 

Die Journalistin Doreen Brumme lebt mit Mann, 4 Kindern und Katze in Hamburg. Sie bloggt als #motherof4 auf doreenbrumme.de über den Alltag einer großen Familie, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat.
Foto: Karolina Doleviczenyi

All das bin und mache ich unbezahlt, leben können wir davon also nicht. Der geldbringende Vollzeitjob als Journalistin kommt noch oben drauf. An einem Montag oder Mittwoch sieht es für mich deshalb nicht anders aus. Selbst am Wochenende schreibe ich. 

Das Frausein, Muttersein, Ichsein in unserer patriarchalen Gesellschaft verlangt mir viel ab. Mitunter zu viel. Ich habe das lange nur geschafft, indem ich zurücksteckte. Das Familienleben war mir dafür Erfüllung, der Erfolg im Job Belohnung genug.

Mit dem Heranwachsen der Kinder veränderte sich die Familienarbeit. Sie beanspruchte weniger meinen Körper und mehr meinen Kopf. Das Managen des Alltags wurde komplexer. Zeit nur für mich gab’s nicht mehr. Das bekam ich zu spüren. Unter der Last schmerzten mir irgendwann jeder Nerv und jeder Knochen. Ich blies Trübsal, war nicht mehr ich selbst. Meine Angst, umzufallen, trieb mich dazu, etwas zu ändern.

Ich machte Inventur. Und fand, tief vergraben, einen Herzenswunsch. Ich verwirklichte ihn, indem ich mit 47 Jahren Karateka wurde. Ich füllte meine abendliche me-time mit dem Kampfsport und wurde stärker als je zuvor. Ich spürte mich wieder und sah gelassener auf die Berge alltäglicher Arbeit.

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Dann kam das Virus.

 – und unser gesellschaftlicher Umgang damit machte meine Balance von Fürsorge und Selbstfürsorge zunichte. Getrieben von der Angst um die Gesundheit meiner Lieben nahm ich Homeschooling, darunter für einen Erstklässler, parallel zum Homeoffice hin. Was für ein kräftezehrender Wahnsinn!

Ich sage: Danke für jeden Tag, der mich nicht zusammenbrechen lässt. Und ich hoffe, dass mir auch morgen der Treibstoff nicht ausgeht. 

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