Für den Umgang mit Brustkrebs, der bereits Metastasen streut, gibt es kein Rezept. Jede betroffene Frau muss ihren Weg finden, das Schicksal zu ertragen, privat wie beruflich. Und gemeinsam mit ihr auch ihr Umfeld.
Doreen Brumme
Journalistin & Bloggerin
Die Journalistin Doreen Brumme, eine #motherof4, bekam ihre Krebsdiagnose im Jahr 2000. Heute gilt sie als gesund.
Ich sehe, wie die Buchstaben, einer nach dem anderen, die Lippen
meines Arztes verlassen. Mit 343 Metern pro Sekunde
(Schallgeschwindigkeit) durchqueren sie den Raum, erreichen meine Ohren.
Fünf Buchstaben. Ein Wort, das mein Leben auf den Kopf stellt:
K-r-e-b-s. Ein Moment, den ich nicht vergessen werde.
Rund 1500 Österreicherinnen erleben jährlich den Moment, in dem sie die Diagnose metastasierter Brustkrebs bekommen. Ein Brustkrebs in spätem Stadium, der sich bereits von der Brust über Lymphe oder Blutbahn im Körper ausgebreitet und Absiedlungen (Metastasen) gebildet hat. Das ist bei etwa einer von vier Brustkrebspatientinnen der Fall. Aussicht auf Heilung besteht dann nicht mehr, die Behandlung zielt auf die Verlängerung der Lebenserwartung und den Erhalt der Lebensqualität. Dank medizinischer Fortschritte verbessern sich aber die Aussichten für diese Patientinnen immer mehr.
Wer mit dieser Diagnose konfrontiert wird, für den ist nichts mehr, wie es vorher war. Denn die Diagnose zeigt einem auf, dass das eigene Leben früher enden wird, als erwartet und erhofft. Im Schnitt sind Frauen zum Zeitpunkt ihrer Brustkrebsdiagnose über 60 Jahre alt. Doch jede zehnte Frau trifft der Schicksalsschlag vor ihrem 35. Geburtstag. Und weil ihr Brustgewebe dichter ist als das älterer Frauen, lassen sich Knoten (Geschwüre) bei jungen Frauen schwerer ertasten und auch die bildgebende Diagnostik wird davon erschwert. Ein Grund, warum bei jungen Brustkrebspatientinnen häufiger aggressive Tumore gefunden werden.
Mit Mitte Dreißig nehmen junge Frauen in Österreich die ersten Hürden ihrer beruflichen Laufbahn und planen ihre Karriere. Glaubt man der Statistik, sind sie zudem verheiratet und haben ihr erstes Kind geboren (durchschnittliches Heiratsalter 2018 bei Frauen: 30,6 Jahre1, Geburt des 1. Kindes 2018 im Schnitt mit 31,6 Jahren2). Die Krebsdiagnose verändert Pläne und Träume, die die Frauen für Beruf und Familie haben. Die Krankheit betrifft sie und ihre Partner, Kinder, Angehörige, Freunde, Kollegen. Sorge und Angst bestimmen den Alltag der erkrankten Frau – und den ihres Umfelds. Krebstherapien geben fortan beruflich wie privat den Takt an: Je nach Krankheitsverlauf Operation, Bestrahlung und Medikamentengabe (Anti-Hormonbehandlung, Chemo und zielgerichtete Therapien).
Auf den Umgang mit dem Krebs, auf das Leben mit ihm, ist kaum eine Frau vorbereitet. Wer ihn in sich trägt, reagiert mit Verzweiflung, Sorge, Angst, Wut, Trauer. Während die eine das Schicksal mutig annimmt, hadert die andere damit. Für ihre Lieben oder den Job reißen sich viele zusammen, schweigen und lachen, wenn ihnen nach Schreien und Weinen ist. Mit einem Psychoonkologen über das Gefühlschaos zu sprechen, hilft Betroffenen oft. Im Job gilt: Beide Seiten, Erkrankte und Arbeitgeber, sollten die Rechtslage kennen und berücksichtigen. Für die Menschen um die Krebskranke herum ist der Umgang mit ihr eine große Herausforderung: Sollen sie bei tiefster und berechtigter Verzweiflung Mut zusprechen, trösten oder offen mitleiden? Ablenken? Schweigen? Ihr noch Arbeitsleistung abverlangen? Ihre Verantwortung belassen? Was ist richtig?
Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Jedes Krebsschicksal nimmt seinen eigenen Lauf. Betroffene berichten, dass es ihnen oft leichter falle als ihrem Umfeld, die Endgültigkeit ihres Schicksals anzunehmen. Gerade das erschwere den Austausch über Gefühle, das Arbeiten, das Regeln alltäglicher Aufgaben und die Abwicklung der Hinterlassenschaft. Erst wenn das Umfeld die Unabänderlichkeit dessen akzeptiere, fühle sich das Leben wieder echt an. Und von echtem Leben wünschen sich die kranken Frauen so viel sie kriegen können. Für diejenigen um sie herum gilt: Mit Feingefühl, Geduld und Wertschätzung an der Seite der Erkrankten zu sein, ein soziales Netz zu bilden, das auffängt, mal Abstand wahrt und mal Nähe bietet: zum gemeinsamen Leben und Arbeiten, mit Reden, Lachen, Weinen und Lieben. Das echte Leben kann, muss aber nicht ein letztes Mal am Meer stattfinden. Oft ist es Alltägliches, was die krebskranken Frauen genießen. Leben. Mittendrin.