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Von der Volkskrankheit zur Venengesundheit

Foto: insta_photos via Shutterstock

Frauen leiden besonders häufig an Venenbeschwerden und Venenerkrankungen.1 Warum das so ist, wie man krankhafte Veränderungen erkennt und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erklärt die Venenspezialistin Univ.-Prof. Doz. Dr. Stanislava Tzaneva im Interview.

Assoc. Prof. PD Dr. Stanislava Tzaneva

Assoc. Prof. PD Dr. Stanislava Tzaneva

Oberärztin Abteilung für Allgemeine Dermatologie, Venenambulanz und Phototherapie Ambulanz

Foto: ZVG

Ab wann spricht man von Venenerkrankungen?

Man muss hier zwischen einer chronischvenösen Erkrankung und einer chronischvenösen Insuffizienz unterscheiden. Die Varikose oder Krampfadererkrankung ist eine degenerative Erkrankung, die erblich veranlagt ist und in Stadien verläuft. Im frühen Stadium nennen wir sie chronischvenöse Erkrankung und in einem fortgeschrittenen Stadium chronisch-venöse Insuffizienz.

Welche Beschwerden und Symptome können bei der Krampfadererkrankung auftreten?

Wir kennen auf der einen Seite Symptome und auf der anderen Seite Zeichen. Das bedeutet, dass Ärzte in der Zusammenschau von Beschwerden, Zeichen und zusätzlichen Untersuchungen entscheiden, ob eine chronisch-venöse Erkrankung vorliegt. Denn die Symptome sind leider nicht immer spezifisch und können von Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen über Juckreiz und unruhige Beine bis hin zu Krämpfen reichen. Die Zeichen hingegen sind viel spezifischer und beginnen mit leichten Veränderungen, sogenannten Besenreisern. Das sind verzweigte, rote Äderchen, die rein kosmetische Bedeutung haben können. Doch dahinter kann sich leider auch eine Leitvenenschwäche verbergen. Im nächsten Stadium entstehen die bekannten Krampfadern. Liegt fortschreitend eine chronischvenöse Insuffizienz vor, kommen auch noch Schwellungen, Verhärtungen, Rötungen und eventuell auch offene Beine hinzu. Es kann dann zu Komplikationen wie Blutungen, oberflächlichen Venenentzündungen, tiefen Venenthrombosen und sogar Lungenembolien, die zum Tode führen können, kommen.

Gibt es Risikofaktoren oder Risikogruppen?

Ja, die gibt es! Wir wissen zwar, dass die chronisch-venöse Erkrankung genetisch veranlagt sein kann, aber das macht nur 30 Prozent der Ausprägung aus. Zu über 70 Prozent hängt sie von der sogenannten Epigenetik, also von unserem Lebensstil, ab.2 Und hier kommen die Risikofaktoren ins Spiel. Einer davon ist, viel zu sitzen – und das hat sich durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns verstärkt. Auch langes Stehen ohne Betätigung der Muskeln und Gelenkspumpen ist ebenso wie Übergewicht ein Risikofaktor. Hormonelle Einflüsse und speziell Schwangerschaften sind ein weiterer bekannter Risikofaktor. Außerdem kann ungesunde Ernährung und zu wenig Flüssigkeitszufuhr die Erkrankung verschlechtern, wenn bereits eine Neigung vorhanden ist.

Sind Frauen häufiger von Venenerkrankungen betroffen als Männer?

Ja, tatsächlich. Das liegt zum einen an hormonellen Veränderungen, wie etwa durch Schwangerschaften, aber auch durch berufliche Situationen. Die chronisch-venöse Erkrankung ist aber eine Volkskrankheit. 73 Prozent der Frauen sind in unseren Breiten davon betroffen und 56 Prozent der Männer. 40 Prozent der Frauen leiden an einer chronisch-venösen Insuffizienz.3

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Welche Therapieoptionen gibt es – unter Berücksichtigung internationaler Guidelines?

Es gibt zwei große Behandlungsgruppen: konservative Methoden und operative Eingriffe. Konservative Methoden stellen immer die Basistherapie dar, das sagen auch die internationalen Guidelines.4 Die wichtigste Säule dabei ist die Kompressionstherapie mit Strümpfen oder Verbänden. Es gibt Medikamente, wie etwa verschiedene Flavonoide, die von allen Phlebologischen Gesellschaften empfohlen werden. Extrakte aus Zitrusfrüchtenschale, Rosskastanien, Mäusedorn, Traubenkerne und Ginkgoextrakte stärken nicht nur die Venenwände und Venenklappen, sondern haben auch eine antientzündliche Wirkung und verbessern den Lymphabfluss. Es ist wichtig zu verstehen, dass all diese Maßnahmen nicht in Konkurrenz zu Eingriffen stehen, sondern kombiniert angewendet werden.

Welche Möglichkeiten gibt es für Eingriffe?

Das klassische Venen-Herausziehen ist heute nahezu vollständig von anderen Methoden abgelöst worden. Minimalinvasive Eingriffe erfolgen ohne Schnitte. Patienten brauchen keinen Krankenstand mehr und können schon am nächsten Tag voll gesellschaftsfähig sein und sich normal bewegen. Hier legen wir betroffene Venen etwa mit Hitze von innen still oder spritzen Schaum in die Venen, sodass sich diese zurückbilden. Auch die internationalen Guidelines empfehlen diese minimalinvasiven Methoden noch vor „alten“ chirurgischen Methoden.4

Kommen wir zum Thema Prävention: Welche Faktoren können die Venengesundheit positiv beeinflussen?

An erster Stelle steht ein normales Gewicht, denn das wirkt sich physikalisch auch auf die Venengesundheit aus. Die chronischvenöse Insuffizienz ist nichts anderes als ein Überdruck im System. Viel Bewegung, eine gesunde, ballaststoffreiche Ernährung und ausreichend Flüssigkeitszufuhr tragen zur Venengesundheit ebenso bei und verbessern sogar Symptome, sollten diese bereits vorliegen. Darüber hinaus ist es wichtig, langes Sitzen oder Stehen zu vermeiden. Sollte das nicht möglich sein, empfiehlt es sich, Stütz- oder Kompressionsstrümpfe zu tragen. Es gibt außerdem gute Übungen, um die Venen gesund zu halten, wie etwa drehende Bewegung des Sprunggelenks oder Vor- und Zurückwippen mit Zehenspitzen und Fersen. Kalt-warm-Wechselbäder sind förderlich für die Venengesundheit, weil sie die Venen aktivieren. Sollten bereits Krampfadern vorliegen, sind heiße Bäder zu vermeiden. Ich möchte Menschen mit Krampfadern wirklich darauf aufmerksam machen, ihre Beschwerden von Venenspezialisten abklären zu lassen. Denn die Komplikationen können nicht nur die Lebensqualität beeinträchtigen, sondern sogar lebensgefährlich sein!

*Quellen: 1: Rabe E. et al. The prevalence, disease characteristics and treatment of chronic venous disease: an international web-based survey. J Comp Eff Res 2020 Dec 9(17):1205-1218 2: Cavezzi A. Medicine and Plebolymphology: Time to change? J Clin Med 2020; Dec 18;9(12):4091 3: Beebe-Dimmer JL, Pfeifer JR, Engle JS, Schottenfeld D. The epidemiology of chronic venous insufficiency and varicose veins. Ann Epidemiol 2005 Mar;15(3):175-84 4: Nicolaides et al. Management of Chronic Venous Disorders of the Lower Limbs, Guidelines according to the scientific evidence, Int Angiology 2018, Vol.37, No.3

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